Vorspiel

Bereits im frühen Mittelalter hatten die Wikinger versucht, Ost- und Nordsee zu verbinden. Auf dem Wasserwege gelang das jedoch nicht. Zwischen Haithabu am Westende der Schlei und der Treene bei Hollingstedt war eine 15 Kilometer breite Landstrecke zu überwinden, um die Waren von dort über die Eider auf die Nordsee zu bringen. Die Eider wurde auch weiter genutzt, als Haithabu im 11. Jahrhundert zerstört war. Der Weg übers Land führte nun hinauf bis zum Flemhuder See. Flamen errichteten dort einen Stapelplatz, um die Waren von dort gut zwölf Kilometer über Land zur östlich gelegenen Kieler Förde zu bringen.

Der Kanalbau beginnt

Diese Grafik von 1893 gibt einen Überblick über die Kanalprojekte, die vor allem Nord- und Ostsee verbinden sollten. Durch einen Klick auf die Grafik wird sie vergrößert.
Diese Grafik von 1893 gibt einen Überblick über die Kanalprojekte, die vor allem Nord- und Ostsee verbinden sollten. Durch einen Klick auf die Grafik wird sie vergrößert.

Vor allem für die Entwässerung entstanden nördlich der Elbe in den Marschen und Mooren frühzeitig künstlich angelegte Wasserwege, die – wie die Bootfahrten auf Eiderstedt oder der Breitenburger Kanal (für die Produktion von Portlandcement) – vor dem Bau fester Straßen als Transportwege lokal genutzt wurden. Früh wurden so genannte „Watervardten“ für den Transithandel zwischen Elbe und Trave angelegt. Als Kanal werden sowohl enge Meeresstraßen (Ärmelkanal) wie künstlich geschaffene Wasserstraßen bezeichnet. Im engeren Sinne versteht man unter Kanal eine künstlich angelegte Wasserstraße im Binnenland, die Höhenunterschiede durch Schleusen oder Hebewerke überwindet. Der erste Kanal dieser Art wurde im Norden 1398 in Betrieb genommen, um vor allem Salz von Lüneburg nach Lübeck zu bringen. Es war der Stecknitzkanal, der den Travenebenfluß Stecknitz mit dem Elbenebenfluß Delvenau verband. Er schuf – wenn auch nur für relativ kleine Frachtkähne – indirekt die erste Verbindung zwischen Nord- und Ostsee. Der Stecknitzkanal ging nach 500 Jahren 1900 zum größten Teil in dem nun für industriezeitliche Binnenschiffsgrößen ausgelegten Elbe-Lübeck-Kanal auf. Eine historische Episode dagegen blieb der Alster-Trave-Kanal. Nach einigen erfolglosen Anläufen war es 1529 schließlich gelungen, Hamburg mit nur acht Kanalkilometern über Alster, Beste und Trave mit Lübeck zumindest für kleine Frachtkähne zu verbinden. Die Strecke bestand nur rund 20 Jahre. Immer wieder sackten Böschungen, gab es Ärger mit den 23 Schleusen und schließlich – wie vermutet werden muss – Streit mit den adligen Anliegern.

Ein Weg mitten durchs Land

Einen Weg für seegehende Schiffe mitten durch das Land zu schaffen, wurde seit dem 16. Jahrhundert ein immer wieder erörtertes Projekt. So schmiedete schon Herzog Adolf (*1526 – 1586†) als Begründer des Hauses Schleswig-Holstein Gottorf Pläne, um via Eider Nord- und Ostsee zu verbinden. Er wurde noch Ende des 19. Jahrhunderts (Beseke) deshalb als Vater des schließlich 1784 realisierten Schleswig-Holsteinischen Canals angesehen. Doch was Herzog Adolf vorgeschwebt hatte, war ein Zickzackweg über Eider und andere Gewässer, mit einer reinen Kanalstrecke von nur neun Kilometer. Nachdem der dänische Gesamtstaat 1773 endgültig konsolidiert war, ging es jedoch um ein großes, damals in Europa einmaliges Projekt: Nord- und Ostsee sollten über die Eider und 34 Kilometer Kanal für seegehende Küstenschiffe (Küstenschifffahrt) verbunden werden. Die zunächst im Geiste des Merkantilismus nur für die heimische Schifffahrt konzipierte Wasserstraße wurde 1784 in Betrieb genommen. Zwei Jahre zuvor hatte James Watt die erste industriell einsetzbare Dampfmaschine ausgeliefert. Dampfkraft und Eisenschiffbau revolutionierten innerhalb weniger Jahrzehnte die Schiffahrt, der Kanal, erbaut „patriae et populo“ – für Vaterland und Volk – stieg innerhalb kurzer Zeit von einem Weg durchs Land für die Weltschiffahrt zu einer romantischen Nebenstrecke für Ewer, Kuffs und Tjalks ab. Seit 1864 wurde deshalb in Preußen über eine große Lösung nachgedacht. Sie wurde schließlich mit dem als Nord-Ostsee-Kanal geplanten und als Kaiser-Wilhelm-Kanal nach acht Jahren 1895 fertiggestellten 98 Kilometer langen Wasserweg geschaffen. Fertig ist dieser nach wie vor meistbefahrene Kanal der Welt immer noch nicht. Er wird nach wie vor verbreitert und begradigt.

Projekte und Träume

Seit dem 16. Jahrhundert sind zahlreiche Pläne bekannt, um Nord- und Ostsee durch Kanäle zu verbinden. Neun davon entstanden allein in der Zeit von 1864 bis 1881. Ein regelrechtes „Kanalfieber“ war im Zuge der Industrialisierung ausgebrochen. In dem vor der Inbetriebnahme 1893 erschienenen Buch der „Nord-Ostsee-Kanal“ von Carl Beseke findet sich dazu eine Grafik. Zwei Jahre später propagierte der Kieler August Sartori den Bau eines Kanals von Lübeck nach Kiel. Ungeachtet der enormen technischen Probleme durch die gewaltigen Höhenunterschiede wurde dieses Projekt des ansonsten hochangesehenen Kaufmanns schon von Zeitgenossen als überflüssige „Spinnerei“ abgetan (siehe Fundsachen).

Werner Junge (1203/1004 /0721)

Literatur: Walter Asmus in Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt und Ortwin Pelc (Hrsg.), Schleswig-Holstein Lexikon, Neumünster, 2000, Wachholtz Verlag, ISBN 3-529-02441-4; Manfred Jessen-Klingenberg in „Nord-Ostsee-Kanal 1895 – 1995“, hrsg. im Auftrag des Bundesministers für Verkehrs, 1995, Neumünster, Verlag Wachholtz, ISBN 3 529 05319 8, Carl Beseke, Der Nord-Ostsee-Kanal, Nachdruck der Originalausgabe von 1893 1982, St. Peter-Ording, Verlag H.Lühr & Dircks, ISBN 3-921416-23-X, Mitteilungen des Canal-Vereins, Bd. 1-24 (1980-2004); Ulrich Lange (Hrsg.),Geschichte Schleswig-Holsteins – Von den Anfängen bis zur Gegenwart (SHG), 2. verbesserte und erweiterte Ausgabe, Neumünster 2003, Wachholtz Verlag, ISBN 3-529-02440-6