Mit Loggern wie der SG 19 begann die Heringsfischerei in Glückstadt. Das Schiff wurde 1906 gebaut und sank 1914.
Mit Loggern wie der SG 19 begann die Heringsfischerei in Glückstadt. Das Schiff wurde 1906 gebaut und sank 1914.

Mit Beginn des 17. Jahrhunderts kam der niederländische Matjes aus der Nordsee auf den Markt. Er galt als die „vornehme“ Alternative zum gesalzenen Hering. Matjes wird aus Heringen hergestellt, die noch nicht geschlechtsreif sind, und kann deshalb nur von Ende Mai bis Ende Juni gefangen werden. Ihr Fleisch ist besonders zart und fett (über 14 Prozent). Auch wenn es sich dabei sowohl um männliche als auch weibliche Fische handelt, spricht man deshalb von jungfräulichen Heringen. Aus dem niederländischen „Meisjes“ für Mädchen leitet sich daher der Name Matjes ab. Im Unterschied zur lange üblichen Heringsfischerei, bei der küstennah gefangener Hering angelandet und an Land verarbeitet wurde, musste Matjes wegen der längeren Fangreisen schon auf See ausgenommen und in „Kantjes“ genannte Fässer in Salz eingelegt werden – seegekehlt und seegesalzen. Der Nordseematjes galt vor allem in begüterten Bürgerhaushalten lange Zeit als Delikatesse. Deshalb wurde die Ankunft der ersten Fänge der Saison in Altona stets in der Zeitung vermeldet. Auch in Glückstadt wollte man von der Fischerei nach Nordseeheringen profitieren. Hierfür wurde 1893 eine Heringsfischerei mit Loggern gegründet. Bis 1907 wurden ausschließlich hölzerne Schiffe verwendet. Mit der „SG 22“ kam 1910 der erste eiserne Dampflogger in Fahrt. Vor dem Hintergrund der zusammenbrechenden Bestände mussten alle deutschen Loggerflotten 1969 Konkurs anmelden. Die Glückstädter wurde von einem Immobilienhändler übernommen, der sie notdürftig – vor allem wohl, um Verluste abschreiben zu können – noch bis 1976 weiterführte.

Landgekehlt und landgesalzen

Blick auf die Dampfloggerflotte vor dem Gebäude der Heringsfischerei (der Admiralität)
Blick auf die Dampfloggerflotte vor dem Gebäude der Heringsfischerei (der Admiralität)

1968, also am Anfang des Endes der eigenen Heringsfischerei, wurden in Glückstadt erstmals die Matjeswochen gefeiert. Sie haben bis heute Bestand, auch wenn das Rohmaterial für den „Glückstadter Matjes“ inzwischen größtenteils gefroren per Lkw aus den Niederlanden oder Dänemark über die Straße anrollt. Noch immer werden in Glückstadt „jungfräulicher Heringe“ zu Matjes veredelt und in Kantjes eingelegt – also landgekehlt und landgesalzen. Die gern erzählte Geschichte jedoch, der Glückstädter Matjes unterscheide sich durch seine sogenannte „enzymische Reife“ grundsätzlich vom niederländischen, ist gut, aber frei aber erfunden. Der für die angeblich andere Form der Fermentation verantwortliche Darmrest bleibt immer und nicht nur beim Kehlen des Glückstadter Matjes. Trotzdem erfreuen sich die in Glückstadt hergestellten Matjes wohl zu recht besonderer Beliebtheit.

Fahrten und Anladungen der "Großen Heringsfischrei" in Glückstadt 1894 bis 1938
Fahrten und Anladungen der „Großen Heringsfischrei“ in Glückstadt 1894 bis 1938

Carsten Jahnke (1101/0303 /0721)

Quellen: Carsten Jahnke, Das Silber des Meeres. Fang und Vertrieb von Ostseehering zwischen Norwegen und Italien (12.-16. Jahrhundert), (Quellen Darstellungen zur hansischen Geschichte, N.F., Bd. 49), Köln, Weimar, Wien, 2000, Böhlau Verlag, ISBN 3-412-10599-6; Gerhard Köhn, Seegekehlt und seegesalzen – Die Loggerfischerei von der deutschen Nordseeküste … , Soest, 1994, Westfälische Verlagsbuchhandlung Mocker & Jahn, ISBN 3-87902-800-1; Tatjana Ceynowa, Detlefsen-Museum, Glückstadt

Bildquelle: Alle Bilder Detlefsen-Museum, Glückstadt; die Vignette zeigt den 1903 gebauten Segellogger „Seestern“ mit seiner Mannschaft