Die erste „allgemeine Volkszählung“ in Schleswig-Holstein fiel auf den 13.Februar 1803. Die Regierung in Kopenhagen hatte beschlossen, alle Einwohner im Dänischen Gesamtstaat, zu dem bis 1864 die Herzogtümer Schleswig und Holstein gehörten, zählen zu lassen. Die federführende Zentralbehörde, die Rentekammer, ließ zu diesem Zweck Formulare drucken und verteilen. Die Lokalbeamten hatten darin sämtliche Personen einzutragen: Festzuhalten waren Name, Geschlecht, Alter, Familienstand, die Stellung im Haushalt, der Beruf oder sonstige Unterhalt. Die ausgefüllten Listen sollten dazu dienen, sowohl die Zahl der Einwohner festzustellen als auch den Altersaufbau sowie die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Bevölkerung zu ermitteln.

Als Tag der Volkszählung wurde ein Sonntag im Winter bestimmt. Dabei ging die Rentekammer davon aus, dass dann nahezu alle Menschen zu Hause anzutreffen waren, auch die Wanderarbeiter und Seefahrer. Die ursprüngliche Absicht war, am Beginn des neuen Jahrhunderts, also in zeitlicher Nähe des 1.Januars 1801, zu zählen. So geschah es in Dänemark am 1. Februar 1801, jedoch nicht in den Herzogtümern. Denn hier gaben Lokalbehörden vor allem im Herzogtum Schleswig vor, dass sie durch die kurz vorher angeordnete Umstellung der Militärpflicht von der Pflugzahl auf die Einwohnerzahl derart beschäftigt seien, dass sie die Volkszählung erst zu einem späteren Zeitpunkt leisten könnten. Darauf wurde der 13. Februar 1803 als Stichtag festgelegt.

Die Grenzen der Herzogtümer Schleswig und Holstein waren 1803 nur zum Teil mit denen des heutigen Bundeslandes Schleswig-Holstein identisch. Das Herzogtum Schleswig reichte von der Königsau im Norden bis zur Eider im Süden, das Herzogtum Holstein von der Eider bis zur Elbe. Schleswig umfasste also außer dem heutigen Landesteil Schleswig noch das 1920 an Dänemark abgetretene Nordschleswig. Zu Holstein gehörten auch Altona, als die damals nach Kopenhagen zweitgrößte Stadt im Gesamtstaat, und ein Dutzend weiterer Gemeinden. Sie kamen durch das Groß-Hamburg-Gesetz 1937 zur Hansestadt. Holstein wuchs dagegen dadurch auf seine heutige Fläche, dass Lübeck sowie das Fürstbistum Lübeck (identisch mit dem späteren Landkreis Eutin) in seinem Gebiet aufgingen. Das Herzogtum Lauenburg war 1803 noch Teil des Kurfürstentums Hannover und kam erst 1815 zum dänischen Gesamtstaat.

Zweck der Volkszählung war es, verbesserte Basisdaten zu gewinnen, um besser planen und effektiver verwalten zu können. An diesem Zweck hat sich bis heute nichts geändert. Die Rentekammer ließ die Listen mit den Daten der gezählten Personen statistisch auswerten und die Ergebnisse tabellarisch darstellen. Die Auswertung ergab, dass in den beiden Herzogtümern 604.085 Menschen lebten. Die Übersicht der Hauptergebnisse wurde mehrfach abgeschrieben und den obersten Behörden zum Gebrauch übergeben. Eine gedruckte Veröffentlichung der Ergebnisse war nicht vorgesehen. Obwohl die ursprünglichen Zähllisten nach der statistischen Auswertung ihren Zweck erfüllt hatten, wurden sie nicht vernichtet, sondern von der Rentekammer archiviert.

Bereits 1769 hatte es eine Volkszählung gegeben. Sie war im Gegensatz zu der von 1803 keine „allgemeine“, weil „Militärpersonen“ nicht erfasst wurden. Auch konnten, bevor der Gesamtstaat 1773 vollendet war, nur die Bewohner des königlichen Anteils gezählt werden. Es fehlten also Angaben aus den Guts- (siehe Gut) und Klosterbezirken (siehe Klöster) sowie den verbliebenen Großherzoglichen Gottorfer Gebieten. Obwohl der Schleswig-Holstein-Gottorfer Anteil schon auf die Größe eines Kleinfürstentums geschrumpft war, machte er noch gut zwei Fünftel der Fläche Holsteins aus. Für die Geschichtsschreibung ist die Einwohnerzählung von 1769 auch deswegen weniger aufschlussreich, weil die Einwohnerlisten bis auf wenige Ausnahmen verlorengegangen sind. Genau genommen fällt die erste Volkszählung überhaupt also auf den 15. August 1769, die erste „allgemeine Volkszählung“ jedoch auf den 13. Februar 1803.

Nach 1803 vergingen gut drei Jahrzehnte, bis die Regierung 1835 wieder eine Volkszählung anordnete. Inzwischen war eine neue Zeit angebrochen: Mehr Bürger als früher interessierten sich jetzt für die öffentlichen Angelegenheiten. In den Herzogtümern Schleswig und Holstein war politisches Regionalbewusstsein entstanden. Der König hatte Ständeversammlungen zugestehen müssen, die gesichertes Datenmaterial als Grundlage für ihre Beratungen brauchten. Die Zählungsergebnisse 1835 sind deshalb die ersten, die gedruckt worden sind.

Nach 1835 wurde, von einigen Ausnahmen abgesehen, das Volk alle fünf Jahre erneut gezählt. Diesen Rhythmus behielten auch die Preußen bei, die nach der Annexion 1867 Schleswig-Holstein zu einer Provinz ihres Königreiches machten. Seit 1950 bemüht sich die Bundesrepublik Deutschland, der Empfehlung der Vereinten Nationen folgend, alle zehn Jahre eine Volkszählung zu organisieren.

Die handschriftlichen Unterlagen der Volkszählung 1803 werden im Landesarchiv Schleswig-Holstein in Schleswig und im Landsarkiv for Sønderjylland in Apenrade/Åbenrå aufbewahrt. Die Zähllisten sind eine geschichtliche Quelle von großer Aussagekraft. Mit ihnen kann der Historiker die gesellschaftlichen Verhältnisse um 1800 erforschen, der Heimatforscher die Einwohnerschaft seiner Gemeinde beschreiben und Familienforscher Vorfahren ermitteln. Das zweihundertjährige Jubiläum war deshalb für Genealogen in Dänemark Anlass, den Inhalt aller Listen der dortigen Volkszählung von 1801 per Computer zu erfassen und dadurch allgemein zugänglich zu machen. Familienforscher in Schleswig-Holstein sind durch dieses Beispiel angeregt worden, mit den Zähllisten 1803 ebenso zu verfahren. An dieser Aufgabe arbeiten parallel die „Arbeitsgemeinschaft Genealogie Schleswig-Holstein“ (AGGSH), im Internet zu finden unter www.aggsh.de, sowie der „Arbeitskreis Volkszahl-Register Schleswig-Holstein (AKVZ).

Ingwer E. Momsen (0203/0205/0721)

Literatur: Ingwer E. Momsen, Die allgemeinen Volkszählungen in Schleswig-Holstein in dänischer Zeit (1769-1860), Geschichte ihrer Organisation und ihrer Dokumente, Neumünster 1974, Wachholtz-Verlag